Helfen statt hassen

Montag, 6. Juni 2011

Ein weiteres Abendessen mit der Türkenmafia

Eine knappe Woche später trafen wir uns nicht in der gleichen Konstellation wie im Kino wieder. Yüsmün* war verreist und Cümün* war anscheinend erst gar nicht gefragt worden, aus welchen Gründen auch immer. Wir waren also 3 Kerle und 1 Frau diesmal.
Diesmal (schon wieder) bei Güncül*. Thema des Abends: gemeinsames Kochen. Irgendwie gab es da wohl ein Mißverständnis, denn ehe ich mich versah, war ich für die Hauptspeise zuständig. Die Vorspeise sollte Güncül machen, das Dessert entweder Cüühn* oder Üygün*, Letztere versagten total, indem der eine ein paar Dosen Becks mitbrachte und der andere Eiscrème aus dem Süpermarkt. (Dieses Hägendings ist mir, offen gesagt, zu fett.)

Zuvor hatte es am Telefon noch Diskussionen zwischen mir und Güncül gegeben. Ente wäre nicht so der Renner für Cüühn, meinte sie, Lamm konnte ich nicht mehr rechtzeitig auftreiben. Wir einigten uns auf ein deutsches Gericht, einen Nudelauflauf mit Gehacktem. (Interessanterweise kannte sie kein Rezept dazu. Ich bekam den Eindruck, dass sie in ihrem ganzen Leben, obwohl hier geboren, noch nie einen Nudelauflauf gesehen oder gegessen hatte. Wie das passiert hätte sein können, kann ich mir gar nicht vorstellen.) Prompt kam der Hinweis von ihr, Schweinegehacktes wäre vielleicht keine so gute Idee - wie sie auf die Idee kam, ich (oder man) könne sowas überhaupt in Erwägung ziehen, bleibt mir schleierhaft. Schweinegehacktes? Oder womöglich sogar gemischt? Bjäch.

Und wieder war ich der Erste bei Güncül. Ich begann mich zu fragen, ob ich das wohl absichtlich machte ...
Die Party fand sozusagen in der Küche statt. Die Jungs liefen dort ein und aus, irgendjemand kümmerte sich immer um Cünbüls Sohn, der ob der vielen fremden Onkels trotzdem gar nicht eingeschüchtert war. Das Essen war Ok, aber eindeutig zuviel, weil Üygün wie ein Spatz aß. Ich kam mir verfressen vor, weil ich insgesamt 3 Portionen verschlang. Cüühn entpuppte sich immer mehr als unglaublich sympathischer Kerl, so dass ich ihm innerlich allmählich unterstellte schwul zu sein. Die Türken, die ich in Deutschland kennengelernt hatte, waren entweder von der prolligen Sorte oder aber lustige Gesellen wie Üygün, die man nicht ernst nehmen konnte. So einen Kerl wie Cüühn hatte es nie drunter gegeben. (Ich muss aber zugeben, dass ich nur wenige Türken kannte, da ich trotz der Ablehnung der Kartoffeln mich selbst als "integriert" betrachten muss - so integriert, dass ich kaum Kontakt zu anderen Türken hatte ...) Er hatte auffällig gute Manieren, keinerlei großmäuliges Auftreten und war sehr intelligent. Vor allem aber hatte er guten Geschmack - das sah man nicht nur an seiner Kleidung, sondern auch an seiner Frisur: aufgrund der selbstkritischen Einschätzung über seine mäßig verteilten Haarwurzeln hatte er sich zu einem extremen Kurzschnitt entschlossen, der quasi einen Schatten auf seinen Schädel legte - die beste Entscheidung angesichts der fehlenden Haarpracht. Er hatte einfach das Beste daraus gemacht.

Witzigerweise nahmen sich alle am Tisch als (säkulare) Muslime wahr - dabei war Cüühn offenbar der Einzige, der kein Schweinefleisch aß, wie wir anhand der Diskussionen über das verarbeitete Rindergehackte im Auflauf erfuhren. Meine explizite Frage danach beantwortete er mit einer fast sprachlosen Selbstverständlichkeit. Als ich daraufhin einen draufsetzte und fragte, warum er dann Alkohol in Form von Bier trank, wusste er tatsächlich nicht zu antworten. Ich versuchte ihm noch ein schlechtes Gewissen zu machen, indem ich sagte, "Das ist haram, alter!" - ehe ich einen Schluck Wein trank.
Ab und zu sprachen wir auf meine Versuche hin Türkisch, nachdem ich für mich beschlossen hatte, es könne nicht schaden, ein wenig zu üben - und damit die anderen mich nicht für eine reine Kartoffel hielten.

Der Abend war sehr nett, und ich ärgerte mich ein wenig, dass man Cüühn regelrecht abschob, obwohl Deutschland ja angeblich so dringend Ingenieure und ausländische Fachkräfte sucht - da kommt jemand zum Studium hierher, lernt nebenher trotz englischsprachigem Studium noch Deutsch, erscheint vollkommen integriert und offen für die deutsche Gesellschaft - und wird dann mit feststehendem Datum regelrecht hinausgeworfen.
Es würde mich nicht wundern, wenn Cüühn noch mit einer SS-Polizeistreife zum 31. zum Airport gebracht worden sein sollte.

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