Helfen statt hassen

Samstag, 4. Juni 2011

Almanya: Türken im Kino

Nach dem Türkenabendessen gab es tatsächlich bereits eine Woche später eine Rundmail zu Kino.
Irgendeiner der Mafiosi hatte den (deutschen) Film Almanya vorgeschlagen. Ich war anfangs nicht so begeistert von dem Vorschlag, weil ich "Türkenfilme" nicht mag - meist sind sie in so einer Art gestrickt wie Ökopullover in den 80ern: Betroffenheitsfilme für die Kartoffeln, damit sie mal sehen sollen, wie beschissen die Türken behandelt würden und wie lieb die doch alle seien. Da könnte ich jedesmal kotzen. Der Deutsche auf der Suche nach einem unterdrückten Opfer zum Knuddeln. Würg. 
Es war dann auch schon fast zuviel für mich, als ich unter den Kinobesuchern eine Handvoll Kartoffeln sah, die wie ältere Ausgaben von Öko-Tanten aus den 80ern wirkten. Viele Türken aus der Bildungsschicht, ein paar Lesben und Schwule. Nach meinem Eindruck bestand die Mehrheit aus Türken. Vermutlich haben wir Türken einfach mehr Humor als die Kartoffeln, die sicherlich vor dem Kino standen und mit sarrazineskem Schnauzbart wieder nölten: "Typisch! Die Türken bleiben wieder mal unter sich! Eine Parallelgesellschaft in unserem Land!"

Wider Erwarten war der Film in weiten Teilen lustig, sogar originell wenn man an die Szenen denkt, in denen die Türken das Deutsch der Deutschen zum ersten Mal hören und es wie dänisches Chinesisch klingt. Mit dabei auch Dennis Moschitto, der auch schon in Süperseks mitgespielt hatte. (Der Film war wenigstens durchgehend lustig ...)

Wir trafen uns bei Güncül* zuhause, deren Wohnung ich nun zum zweiten Mal betrat - und schon wieder der erste Gast war. Während wir auf die anderen warteten, telefonierte sie via Handy mit denen. (Ich glaube, Türken werden mit Handy geboren.) Wie sich bald herausstellte, passte es den meisten wohl eher, sich direkt vor dem Kino zu treffen. Wieso man das dann nicht direkt so verabredet hatte, entzog sich meiner Kenntnis. Ich nahm mir vor, das türkische Denken und Planen nicht unnötig zu analysieren.

Vor Ort ging dann das mir wohlbekannte Zahlspiel los: Nein, ich bezahle - Bitte, nun spinn doch nicht rum, ich bezahle! - Nein, lass das stecken, sonst rede ich nie wieder ein Wort mit Dir! - Hör mit diesem Unsinn auf, ich bezahle die Karten, wir können das ja später aussortieren ....
Ich hasse diese türkische Zickerei, weil sie so unglaublich unpraktisch und reine Zeitvergeudung ist. Aber es scheint denen angeboren zu sein. Ich selbst bin durchaus generös, aber wenn jemand meint, mich partout einladen zu müssen - bitte schön, hauptsache wir müssen da nicht eine Stunde drüber diskutieren. Hier tat ich es nur, weil ich nicht wie eine bräsige deutsche Kartoffel auftreten und ein falsches Image bekommen wollte.

Die anderen kreuzten auf, unter ihnen zwei Kerle, die ich noch nie zuvor gesehen hatte: Üygün* und Cüühn*. Ersterer ein Zwerg, der mir grad bis zur Brustwarze reichte, Zweiterer ein grosser gut gebauter Kerl mit fast kahlrasiertem Schädel und chic gekleidet. Während Üygün eine recht grosse Klappe hatte und immer irgendwas lustiges daherredete, kriegte Cüühn kaum die Zähne auseinander. Üygün war der typische Türke, wie ich sie kannte: immer flotte Sprüche auf den Lippen, leichtfüßig, jovial und scheinbar großzügig - ein typisches Großmaul eben. Vermutlich litt er unter dem Kleine-Mann-Syndrom.
Cüühn dagegen erschien mir regelrecht unheimlich sympathisch mit seiner zurückhaltenden Art. Ein intelligenter, anziehender Typ, der innerhalb von 4 Jahren ein bemerkenswertes Deutsch gelernt hatte. Er war Diplomand und musste schon eine Woche später das Land verlassen, weil sein Studentenvisum auslief. Eine in Deutschland ausgebildete ausländische Fachkraft sozusagen. Er hatte schon eine Jobgarantie bei einem europäischen Konzern in der Türkei - und wollte gar nicht weg von hier (was mich aufgrund der Kombination Nett-Gebildet-Unfassbar Sympathisch und Deutschlandfreundlich zu der Annahme verleitete, er sei schwul). Ich meine: Welcher Türke bleibt gerne und ohne Reue in diesem türkenfeindlichen Deutschland???
Wir, die wir hier geboren und aufgewachsen sind, wissen doch alle, dass Deutschland zwar unsere Heimat ist, wir aber uns niemals heimisch fühlen sollen.

Naturgemäß kann man sich im Kino nur schlecht miteinander unterhalten, jedenfalls wenn der Hauptfilm anfängt. Aber wir hatten bis dahin eine entspannte und gute Zeit, erst recht nach diesem Werbespot:

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