Helfen statt hassen

Sonntag, 15. Mai 2011

Die zweite Chance

Nachdem fast zwei Jahre Funkstille zwischen der Türkenmafia und mir herrschte, fasste ich mir zu Weihnachten ein Herz und versandte Weinachtskarten von unserer Firma an diejenigen, deren Visitenkarten ich besaß.

Die Reaktion derer, die sich darüber freuten, war sehr positiv - der Rest antwortete erst gar nicht. Eine der Türkinnen, an die ich mich erinnern konnte, rief mich sogar an und versicherte mir zu meinem Erstaunen, die Gruppe hätte sich seither gar nicht mehr getroffen. Viele individuelle Veränderungen wie z.B. die Schwangerschaft von Güncül seien Schuld daran. Diese Cünbül* sollte sich später als besonders zuverlässige Türkenmafiosa herausstellen.
Schliesslich meldete sich auch irgendwann Güncül wieder bei mir und lud mich zu einem "kleinen Snack" zu sich nachhause mit der Türkenmafia ein, nachdem -zig Versuche zu diversen Themenabenden (wie z.B. "klassische türkische Musik" - das ich als dieses schreckliche Gejaule aus meiner Kindheit kannte) nicht zu meiner Teilnahmezusage führten. Eigentlich hatte ich nicht so richtig Lust, wollte sie aber auch nicht dauernd vor den Kopf stossen, weil ich früher schon keinen Bock oder aber keine Zeit hatte. Trotz Stress und Müdigkeit schleppte ich mich also zu diesem Snack-Abend hin.

Dieser entpuppte sich nach anfänglich holprigem Start - Ich erschien für mich unangenehmerweise als Erster auf der Bühne, obwohl ich mich verspätete und die nacheinander aufkreuzenden Mafiamitglieder plapperten dann erstmal auf Türkisch auf mich ein - doch als sehr angenehm. Ich wusste nicht so recht, wie ich mich verhalten sollte, denn die deutsche Art führt sehr oft zu Missverständnissen bei Türken. Deutsche sind in der Regel für sie sehr unhöflich und klotzig wie Baumfäller. Sie verzeihen ihnen das auf sehr höfliche Art und lassen sich nichts anmerken.
Bei vermeintlichen Türken sieht das aber dann ganz anders aus, weil denen nichts verziehen wird und man sie für Asoziale oder sehr schlecht erzogene Landsleute mit fehlenden Manieren einstuft. Und das ist nicht schön. Oft wurde ich in der Vergangenheit schon entsprechend behandelt und ausgegrenzt, weil diese Leute irrtümlich annahmen, ich machte das absichtlich und verstellte mich: weil ich das wenige Türkisch akzentfrei spreche, wurde mir Grobschlächtigkeit unterstellt - schliesslich müsse doch ein echter Türke auch die türkische Sprache perfekt beherrschen und sich manierlich benehmen in Wort und Tat. Dass ich gar kein "echter" Türke sein mochte, wurde gar nicht erst akzeptiert.

Egal, der "kleine Snack" entpuppte sich als Großmahlzeit. Wenn Sie türkische Gastgeber einladen sollten - glauben Sie denen besser nichts. "Eine Kleinigkeit zu essen" ist dort ein Paradies für Verfressene. Man geht bei Türken nicht nur davon aus, dass Gäste gerne und viel essen, sondern offenbar auch, dass noch uneingeladene Überraschungsgäste auftauchen könnten, ähnlich wie der Tradition bei Persern, einen Teller mehr auf den Tisch zu stellen.
Irgendwann hatte auch der Letzte kapiert, dass ich nur Deutsch sprach - und das war, als Yüzügül* mich darauf ansprach, warum ich kein Türkisch spräche. Nachdem ich die Runde über meine rudimentären und auch noch eingeschlafenen Sprachkenntnisse informierte, wurde seit exakt diesem Zeitpunkt 90% in meinem Beisein Deutsch gesprochen. Die restlichen 10% Türkisch rührten daher, dass ich aus Höflichkeit den ein oder anderen türkischen Satz von mir gab - allerdings nur, wenn ich mir über seine Korrektheit sicher war.

Es gab an diesem Abend noch das eine oder andere Erwähnenswerte, aber dazu komme ich in der nächsten Folge dieser Aufklärungs- und Tagebuchreihe.

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